„Sperminator“ und „Sperrminorität“ – Presseschau

Das Zusammenstellen der Artikel der Seiten von gedruckten Zeitungen führt manchmal zu seltsamen Kombinationen. Bei einem Besuch am Wochenende hatte ich die Gelegenheit, seit längerem wieder einmal einen Blick in die Rotenburger Kreiszeitung zu werfen. Beim Mittagstisch wurde erzählt, in der Zeitung sei berichtet worden, wie sich jemand selbst ans Kreuz genagelt hat. Auf Nachfrage stellte sich heraus, daß das nicht etwa in der Ausgabe vom 1. April stand, sondern in der aktuellen vom 19. Mai. Ich also zum Altpapier, Zeitung wieder herausgesucht – und tatsächlich: Auf der letzten Seite, „Blick in die Welt“, findet sich die dpa-Meldung „Südkoreaner nagelt sich selbst ans Kreuz“, mit detaillierter Beschreibung des Vorgangs, der sich zu Ostern ereignet haben soll:

„Er soll seine Füße an das Kreuz genagelt haben, seinen Hals daran gebunden haben und sich anschließend selbst in den Bauch gestoßen haben. Danach dürfte er sich Löcher in die Hände gebohrt haben und sie in bereits ans Kreuz geschlagenen Nägeln befestigt haben.“

Das symbolisch gewählte Datum der österlichen (Selbst-)Kreuzigung und die Dornenkrone, die der 58jährige Taxifahrer getragen haben soll, runden das  Tableau ab, das unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Meldung durchaus eindrucksvoll ist. Die taz berichtet über den Vorfall unter dem Titel „Die Übertreibung des Jahres“ in der Rubrik „Die Wahrheit“, die ja sonst der Satire vorbehalten ist, und kommentiert die von der Polizei als Suizid ermittelte Todesursache: „Ein Suizid nach dem Motto: Warum einfach, wenn es kompliziert geht. Dass diese Christen immer so übertreiben müssen.“ (taz vom 18.5.2011)

Nun sind die vermischten Meldungen in der Rotenburger Kreiszeitung wie in anderen Zeitungen ein ziemliches Sammelsurium von belanglosen und meist nicht lesenswertem Klatsch und Tratsch. Diesmal war noch der Klassiker dabei, daß in den USA wieder einmal ein Kleinkind bei eBay zum Verkauf angeboten wurde (nicht ernstgemeint, das Kindermädchen „habe bloß testen wollen, wie eBay funktioniere“), unter dem Titel „Ehefrau im Angebot“ in der Spalte gegenüber wird berichtet, ein „wegen jahrelangen Kindesmissbrauchs“ Verurteilter habe „auch seine Frau anderen Männern zum Sex angeboten“, und natürlich darf unser täglich Kachelmann nicht fehlen (mit der Meldung, die Anklage wolle ihn „für Jahre hinter Gittern sehen“).

Bekanntermaßen verkauft sich nichts besser als Sex – in Stuttgart soll das Autokennzeichen „S-EX“ sich großer Beliebtheit erfreuen -, daher bietet die Seite noch mehr zum Thema. Einer weiteren dpa-Meldung kann man entnehmen, daß Arnold Schwarzenegger, der als „Terminator“ bekannt gewordene Schauspieler und spätere Ex-Gouverneur von Kalifornien, in Weblogs und Talkshows inzwischen verulkt werde als „Sperminator“. Ein hübsches Wortspiel, das freilich durch die direkt darunter stehende Nachricht von der österlich-koreanischen Selbstkreuzigung schnell in den Schatten gestellt zu werden droht. Blättert man jedoch eine Seite zurück, in den Wirtschaftsteil, wird man wieder daran erinnert beim Lesen der Schlagzeile „Klatten kauft sich Sperrminorität“.

Absicht oder Zufall? Wie auch immer: Diese großartige Komposition steigert die Wirkung des Wortspiels vom „Sperminator“ noch einmal und eignet sich durchaus, einen Lachkrampf zu provozieren.

Nachweis: Rotenburger Kreiszeitung, Jg. 145, Nr. 116, 19. Mai 2011, „Blick in die Welt“ und „Wirtschaft“ [ohne Paginierung]

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